Weniger ist manchmal mehr
Die Idee für das Projekt kam Sessini nach seiner ersten Aleppo-Reise 2012. „Es haben schon so viele die Kämpfe oder Krankenhäuser fotografiert. Ich wollte etwas anderes machen“, erzählt er. „Das Publikum verliert leider leicht das Interesse an Aufnahmen von derartigen Konflikten. Anstatt also verwundete Kämpfer abzubilden, habe ich die Straßen fotografiert. Manchmal ist auch in der Fotografie weniger mehr. So bekommt der Zuschauer Raum für seine eigenen Gedanken und kann seiner Fantasie freien Lauf lassen.“
Diese Stadtlandschaften stellen geradezu Beweisfotos forensischer Natur dar, die das Ausmaß der Zerstörung im westlichen Teil der Stadt enthüllen. Durch die Abbildung von Marktplätzen oder verriegelten Ladenfronten – Orten, die Städten in aller Welt gemein sind – bringt Sessini Betrachter dazu, darüber nachzudenken, wie es sich wohl anfühlen mag, die ihnen bekannten Städte in einer solchen Situation zu erleben. „Die meisten Menschen leben in Städten – das ist auf der ganzen Welt so“, meint er.
Während die zerbrochenen Steine und Mörtel symbolisch darstellen, welche Auswirkungen der Krieg auf die syrische Bevölkerung hatte, geben sie auch ein authentisches Bild davon, wie die Realität derzeit aussieht. „Wenn eine Stadt belagert wird, wird sie zur Geisterstadt“, erzählt Sessini. „Die Menschen gehen aufgrund der Gefahr von Snipern nicht mehr auf die Straße.“
Auch die Kämpfer funktionieren Materialien wie die aufgehängten Laken um, die sie in den Häusern und Straßen vorfinden. Ein reich dekorierter Spiegel mit Holzrahmen beispielsweise wird als „Anti-Sniper-Spiegel“ genutzt. „Ein sehr einfacher, aber überaus wirksamer Trick, um zu sehen, ob hinter der nächsten Ecke jemand lauert“, erklärt Sessini.