Die Linse am Objektiv wird manchmal einfach „Glas“ genannt. Aber eine Linse ist natürlich viel komplexer als nur ein bisschen Glas, und tatsächlich können diese optischen Elemente in modernen Objektiven neben verschiedenen Glassorten auch Materialien wie Fluorit und Kunststoffe enthalten. All diese Materialien mit ihren einzigartigen Eigenschaften werden verwendet, um die optische Leistung zu verbessern – angefangen bei der Reduzierung von Aberrationen bis hin zur Verbesserung von Schärfe und Kontrast.
In diesem Leitfaden stellen wir ein paar der Materialien und Technologien vor, die in Objektivlinsen verwendet werden, und erklären, wie sie zur Verbesserung der Bildqualität beitragen.
Was ist chromatische Aberration?
Fluorit-Linsen
Sphärische Linsen vs. asphärische Linsen
Herstellung asphärischer Linsenelemente
UD-Glas (Ultra-low Dispersion Glas)
BR-Linsen (Blue Spectrum Refractive Linsen)
Fluorit-, asphärische, UD- und BR-Linsen
Was ist chromatische Aberration?
Wenn Licht durch eine Linse fällt, wird es gebrochen – sprich: abgelenkt. Außerdem werden die verschiedenen Farben (Wellenlängen des Lichts) unterschiedlich stark gebrochen, mit dem Ergebnis, dass das Licht auch in seine einzelnen Farben zerfällt, genau wie beim Durchgang durch ein Prisma.
Dieses Phänomen wird chromatische Aberration genannt. Es bedeutet, dass die Linse nicht in der Lage ist, all die verschiedenen Farben auf denselben Punkt zu fokussieren, und so entsteht ein unscharfes Bild. Im schlimmsten Fall sind an einigen Rändern Farbsäume zu sehen.
Bei Glas ist chromatische Aberration aufgrund der physikalischen Eigenschaften unvermeidlich, aber andere Materialien können das Problem bis zu einem gewissen Grad abmildern. Je geringer der Lichtbrechungsindex des Linsenmaterials ist, umso weniger wird das Licht abgelenkt, und umso schärfer wird die Aufnahme. Ähnlich verhält es sich mit der Dispersion: Je weniger das Licht gebrochen wird, umso einfacher ist es, chromatische Aberrationen zu korrigieren.
Übrigens hat Canon nicht nur optische Lösungen entwickelt, sondern auch fortschrittliche Methoden zur Kompensation der chromatischen Aberration in der Postproduktion. Bei der neuronalen Netzwerktechnologie von Canon kommt künstliche Intelligenz zum Einsatz, um Bilder zu analysieren, chromatische Aberration zu erkennen und sie intelligent zu korrigieren, was saubere, klare Bilder mit lebensechten Farben zum Ergebnis hat.
Fluorit-Linsen
Fluorit ist ein natürlich vorkommendes Kristall mit drei speziellen Besonderheiten, durch die es in besonderem Maße zur Verwendung als Linsen geeignet ist − es ist ein guter Leiter für Infrarot- und Ultraviolett-Licht, weist einen sehr niedrigen Brechungsindex auf und hat eine geringe Dispersion. Das bedeutet, dass Linsenelemente aus Fluorit die chromatische Aberration im Vergleich zu Glaslinsen stark reduzieren.
Bereits im 19. Jahrhundert verwendeten die Menschen natürliche Fluorit-Kristalle für die Linsen von Mikroskopen. Doch in der Natur wächst Fluorit in derart kleinen Kristallen, dass es sich nicht für die Linsen von Fotokameras eignet. Um dieses Problem zu lösen, züchtet Canon zur Herstellung von Fotolinsen in ausreichender Menge eigene synthetische Fluorit-Kristalle.
In der nächsten Phase wird das Fluorit zu Linsen geschliffen − eine weitere Herausforderung, da sich Fluorit nur schwer schleifen lässt. Die Ingenieure von Canon haben jedoch eine neue Schleiftechnik entwickelt, welche die Herstellung von makellosen Fluorit-Linsen garantiert. Der Nachteil ist, dass das Schleifen einer Fluorit-Linse viermal so viel Zeit beansprucht wie das einer Glaslinse − mit ein Grund für die höheren Kosten der Objektive der Canon L-Serie. Das Ergebnis liefert jedoch Linsen, die die chromatische Aberration fast vollständig beseitigen. So entstehen schärfere Bilder, da das Licht als Punkt statt als Wirbel aus Farben aufgenommen wird.
Das erste Canon Objektiv mit einer Fluorit-Linse war das 1969 hergestellte FL-F 300mm f/5.6 Objektiv.
Sphärische Linsen vs. asphärische Linsen
Früher waren alle Linsen sphärisch geschliffen. Das war in der Fertigung die einfachste Methode. Diese waren jedoch nicht in der Lage, ein gestochen scharfes Bild darzustellen, weil sie parallele Lichtstrahlen nicht an einem Punkt konvergieren lassen können. Das führt zur sogenannten sphärischen Aberration. Die Objektivkonstrukteure entdeckten, dass eine asphärisch geschliffene Linse diese Art der Aberration eliminiert, weil die Linse so geformt werden kann, dass sie in der Lage ist, Lichtstrahlen an einem einzigen Punkt zu bündeln. Doch theoretisches Wissen ist eine Sache − die Umsetzung in die Praxis eine ganz andere.
Das Maß der Asphärizität ist so gering, dass die Entwicklung von speziellen Herstellungsprozessen erforderlich war, um den notwendigen Toleranzbereich von 0,1 Mikrometern nicht zu überschreiten. Die Messung der Krümmung erfordert eine noch größere Genauigkeit. Erst 1971 wurde das erste SLR-Kameraobjektiv mit einer asphärischen Linse hergestellt – das Canon FD55mm f/1.2AL. Sie war aber alles andere als perfekt. Tatsächlich dauerte es weitere zwei Jahre, bis die Herstellungstechniken ein Niveau erreichten, das es möglich machte, große Steigerungen in der Bildschärfe zu erreichen.
Heute schleifen und polieren wir asphärische Linsen so präzise, dass Linsen, deren Asphärizität nur 0,02 Mikrometer (1/50.000 eines Millimeters) vom Idealmaß abweicht, ausgemustert werden.
Asphärische Linsen tragen dazu bei, die Verwackelung bei Weitwinkelobjektiven auszugleichen und sphärische Aberrationen von Linsen mit einer großen maximalen Blende zu korrigieren (oder sogar zu beseitigen). Außerdem kann Canon nun kompaktere Objektive herstellen, als dies bei ausschließlicher Verwendung von sphärischen Linsen möglich war. Der Grund dafür ist, dass herkömmliche Objektivkonstruktionen zur Minimierung von Aberrationen oft komplexe Anordnungen mehrerer Linsenelemente erforderten. Eine einzelne asphärische Linse kann jedoch dieselbe Aufgabe erfüllen, und das Objektiv wird dadurch leichter und kompakter mit überlegener Schärfe.
Herstellung asphärischer Linsenelemente
Geschliffene asphärische Linsenelemente werden einzeln geschliffen und poliert, um ein extrem hohes Maß an Präzision zu erreichen. Das Verfahren ist für verschiedene Glassorten geeignet und kann zur Herstellung asphärischer Linsenelemente verwendet werden, die im Vergleich zu sphärischen Linsen große Durchmesser haben.
Das Schleifen und Polieren von asphärischen Linsen ist ein langwieriger und teurer Prozess, doch die Entwicklung der Herstellung ist inzwischen so weit fortgeschritten, dass wir asphärische Linsen auch formen können. Aus Kunststoff geformte (PMo) asphärische Linsenelemente werden hergestellt, indem für optische Zwecke geeignetes Harz in eine Form mit asphärischer Oberfläche gespritzt wird, auf die dann Oberflächenbeschichtungen aufgebracht werden. Diese Linsenelemente haben den Vorteil, dass sie leicht sind, in größeren Mengen zu geringeren Kosten hergestellt werden können und die Bildqualität von Einsteigerobjektiven erheblich verbessert haben.
Aus Glas geformte (GMo) asphärische Linsen mit großem Durchmesser werden aus verschiedenen optischen Gläsern hergestellt, die bei hohen Temperaturen erweicht und dann in eine asphärische Metallform gegossen werden. Selbstverständlich muss die Fertigung der Formen sehr präzise sein, um sicherzustellen, dass das geschmolzene Glas genau die richtige Form erhält. Außerdem müssen die Formen Raum für die Dimensionsveränderungen der Linsen bieten, die auftreten, sobald das Glas abgekühlt ist und poliert wurde.
Das Glasformen ermöglicht die Herstellung in großen Mengen, wobei die entstehenden Linsenelemente die Kratzfestigkeit und Hitzebeständigkeit von Glas haben. Obwohl ihre Fertigung nach wie vor Präzisionsarbeit ist, ist die Herstellung der geformten Linsen kostengünstiger als die der geschliffenen, wodurch ihre Verwendung für Objektive im Verbrauchersegment möglich ist.
1990 entwickelte Canon eine vierte Technologie zur Herstellung einer „Nachbildung“ von asphärischen Linsen. Dabei wird ein Harz verwendet, um auf einem sphärischen Linsenelement eine asphärische Oberflächenschicht zu bilden. Optisches Harz wird auf eine sphärische Glaslinse aufgetragen, durch eine Pressform mit asphärischer Oberfläche in Form gepresst und dann durch ultraviolettes Licht gehärtet. Dieses Verfahren kann mit verschiedenen Glasmaterialien und Größen der Glasbasis verwendet werden und bietet eine hohe Flexibilität hinsichtlich des Designs. Nachgebildete asphärische Linsenelemente sind nicht nur kostengünstig, sondern auch leichter als ihre geschliffenen Gegenstücke.
Als einziger Hersteller, der vier verschiedene Technologien zur Herstellung asphärischer Linsen einsetzt, ist Canon in der Lage, durch Auswahl der am besten geeigneten Technologie für das jeweilige benötigte Linsenelement die unterschiedlichsten Anforderungen zu erfüllen.
Ultra-low Dispersion Glas
Nachdem Canon in einigen Linsen erfolgreich Fluorit genutzt hatte, kam die Verwendung von UD-Glas (Ultra-low Dispersion Glas) und Super-UD-Glas auf. Da es kostengünstiger ist, chromatische Aberrationen durch die Verwendung von optischem Glas anstelle von Fluorit zu beheben, konzentrierte Canon die Forschung fortan auf die Herstellung von besonders leistungsfähigen Linsen aus optischem Glas. Im Laufe der Jahre hat Canon über 100 verschiedene Glassorten für Linsen verwendet – alle mit leicht unterschiedlichen Eigenschaften.
UD-Glas ähnelt Fluorit in Bezug auf den geringen Brechungsindex und die geringe Dispersion. Zwar ist es nicht ganz so gut wie Fluorit, aber die Ergebnisse sind bedeutend besser als die von gewöhnlichem optischem Glas. Durch die Verwendung von UD-Glas ist es Canon also möglich, eine Reihe an Linsen zu fertigen, die eine herausragende Leistung zu geringerem Preis als bisher bieten.
In mehreren Linsen der L-Serie hat Canon Elemente der UD-Glaslinsen und der Fluorit-Linsen kombiniert, um optimale Ergebnisse zu erzielen. Die Technologie eignet sich für verschiedene Objektivarten, angefangen bei Weitwinkel- bis hin zu Superteleobjektiven.
BR-Linsen (Blue Spectrum Refractive Linsen)
Blaues (kurzwelliges) Licht stellt für Linseningenieure eine besonders große Herausforderung dar, da sich sein Weg durch die Linse nicht so leicht korrigieren lässt, wie das bei grünem und rotem Licht mit längerer Wellenlänge der Fall ist. Aus diesem Grund kann es zu blauen Farbsäumen kommen.
Im August 2015 stellte Canon jedoch das EF 35mm f/1.4L II USM Objektiv vor, das erste mit einer BR-Linse (Blue Spectrum Refractive Linse). Für die BR-Linse nutzte Canon eine neue organische optische Linse mit anderen Dispersionseigenschaften als herkömmliche Linsen. Sie ist zwischen konkaven und konvexen Glaslinsen eingebettet, sodass der Weg des blauen Lichts gesteuert und die chromatische Aberration minimiert wird.
Canon setzt die Entwicklung von neuem optischem Material fort, um die Möglichkeiten der Objektivkonstruktion und -herstellung auszubauen. Zum Beispiel werden bei der Technologie der mehrschichtigen diffraktiven optischen Elemente von Canon die Eigenschaften von asphärischen und Fluorit-Linsen vereint. So ist es Canon möglich, kleinere und leichtere Teleobjektive mit einer besseren Leistung trotz kleinerer Blende herzustellen.
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